Museum historischer Schreibmaschinen | Fachbibliothek || Stenografenverein 1925 Treysa e. V.

Entwicklungsgeschichte des Computers

„Den“ Erfinder des Computers gibt es nicht. Es ist auch nicht bekannt, wann der Mensch begann, mit Zah­len und Zahlensystemen umzugehen. Über Jahrtausende hinweg begnügte er sich mit seinen natur­ge­gebenen Rechen- und Zählhilfsmitteln, den Fingern. Und auch heute noch finden sich zahlreiche Natur­völker, die nur mit den Fingern zählen. Doch das Hauptproblem, das alle früheren Kulturvölker hatten, war die Darstellung von großen Zahlen und das Rechnen damit.

Erst um 1500 n. Chr. wurde das in Indien entstandene und von den Arabern nach Europa gebrachte Zif­fernsystem mit dezimalem Stellenwert bei uns gebräuchlich. Von hier aus hatte es sich über die ganze Welt verbreitet und war die Grundvoraussetzung für die heutige Rechentechnik.

Abakus. Schon lange vor der Entwicklung bedienten sich Menschen tech­nischer Hilfsmittel, um zu zählen und zu rechnen. Das älteste be­kannte Rechenhilfsmittel ist der Abakus (ca. 1100 v. Chr. in China). Der Abakus besteht aus mehreren beweglichen Kugeln, die in einem Rahmen auf mehreren unterschiedlich angeordneten Stäben be­festigt sind. Durch Verschieben der Kugeln kann u. a. addiert, sub­trahiert, multipliziert und dividiert werden.

Chinesischer Suanpan (Abakus) mit eingestellter Dezimalzahl 37925 [Abb. 1]

Die Grundlage für unsere heutige Computertechnologie bilden Entwicklungen unterschiedlicher Erfinder aus verschiedenen Epochen:

Zeitstrahl der wichtigsten Erfindungen für die Computertechnologie

17. und 18. Jahrhundert

Wilhelm Schickard | Deutschland | 1623
* 1592 †  1635
Mathematiker und Astronom:
Entwicklung der ersten Rechen­maschine mit Zahnradgetriebe; Rechenoperationen: Additionen und Subtraktionen [Abb. 2]
Blaise Pascal | Frankreich | 1642
* 1623 † 1662
Mathematiker, Literat und Philosoph:
Vorstellung einer Rechen­maschine, die dem Arbeitsprinzip des Schickard‘schen Rechners verwandt war. [Abb. 3]
Gottfried Wilhelm Freiherr von Leibniz | Deutschland | 1672
* 1646 † 1716
Mathematiker, Physiker und Philosoph:
Konstruktion einer Rechenmaschine mit Staffelwalze für alle vier Rechenarten („Vierspeziesmaschine“); Entwicklung des Dualsystems. [Abb. 4]
Philipp Matthäus Hahn | Deutschland | 1774
* 1739 † 1790
Pfarrer und Ingenieur:
Vorstellung der ersten serienmäßi­gen Rechenmaschine. [Abb. 5]

19. Jahrhundert

Joseph-Marie Jacquard | Frankreich | 1801
* 1752 † 1834
Textilingenieur:
Erstmaliger Einsatz von Lochkarten zur automatischen Steuerung von Webstühlen; Geburtsstunde der Automation in der Technik. [Abb. 6]

Pellegrino Turri | Italien | 1808 | * 1765 † 1828 | Erfinder: Erste Schreibmaschine von praktischem Nutzen, wahr­scheinlich nur für Blindenschrift bestimmt.

Karl Friedrich Freiherr Drais von Sauerbronn | Deutschland | 1823 | * 1785 † 1851 | Forstbeamter und Erfinder: Erste Schreibmaschine mit Typenhebeln. Das für eine phonetische Schnellschrift konstruierte „Schnellschreibklavier“ gilt auch als erste Stenografiermaschine.

Charles Babbage | England | 1832
* 1791 †  1871
Mathematiker und Ökonom: Erste „Differenzmaschine“ für die Erstellung von Logarithmen und dritten Potenzen; enthielt bereits die Grundfunktionen Eingabe, Verarbeitung und Ausgabe von Daten (EVA-Prinzip). [Abb. 7]

Peter Mitterhofer | Südtirol | ab 1864 | * 1822 † 1893 | Tischler, Zimmermann und Erfinder: Sein erstes von fünf Schreib­maschinenmodellen, das mit verdeckter Stechschrift schrieb und aus Holz hergestellt wurde, trug den Namen „Die Misslungene“.

Herman Hollerith | USA | 1866 | * 1860 †  1929 | Ingenieur und Unternehmer: Konstruktion einer Appara­tur zur Aufbereitung statistischen Materials mit Lochkarten, die 1890 bei der elften amerikani­schen Volkszählung mit großem Erfolg eingesetzt wurde. Was zehn Jahre zuvor noch 500 Hel­fer beinahe sieben Jahre beschäftigte, schaffte Hollerith mit 43 Zählmaschinen und ebenso viel Bedienungspersonal in knapp vier Wochen.

Hans-Rasmus Malling-Hansen | Dänemark | 1867 | * 1835 † 1890 | Pastor, „Taubstummenlehrer“ und Erfinder: Entwicklung der „Schreibkugel“ als erste serienmäßig hergestellte und verkaufte Schreibmaschine.

Remington & Sons | USA | 1873 | Waffen- und Schreibmaschinenfabrik: Vorstellung der ersten kommerziell nutzbaren Schreibmaschine. Die „Urtastatur“ (QWERTY-Tastatur) der Re­ming­ton gilt ab 1888 als internationaler Standard. Ab 1925: Herstellung der ersten elektri­schen Schreibmaschine.

Franz Xaver Wagner | Deutschland/USA | 1890 | * 1837 † 1907 | Erfinder: Der deutschstämmige F. X. Wagner baute das nach ihm benannte Typenhebelgetriebe mit Zwischenhebel in die US-amerikanischen Underwood-Modelle ein. Damit wurde das Geschriebene sofort sichtbar und revolutionierte den Schreibmaschinenbau.

20. Jahrhundert

Konrad Zuse | Deutschland | 1941 | * 1910 †  1995 | Erfinder, Ingenieur und Unternehmer: Erste funktionsfähige Daten­verarbeitungsanlage mit Programmsteuerung („Z 3“) zur Durchführung der vier Grundrechen­arten und anderer Rechenoperationen sowie zum Abruf fest eingebauter Arbeitsabläufe durch Tastendruck. 15 bis 20 arithmetische Operationen konnten in einer Sekunde durchgeführt werden, eine Multiplikation dauerte vier bis fünf Sekunden.

Howard H. Aiken | USA | 1944 | * 1900 † 1973 | Wissenschaftler und Computerpionier: Inbetriebnahme der ersten elektronischen Rechenanlage „MARK I“ in Zusammenarbeit mit IBM. Eine Addition dauerte nur 0,3 Sekunden, die Multiplikation zweier zehnstelliger Zahlen ca. 6 Sekunden und eine Division etwa 11 Sekunden. Aus der automatischen Datenverarbeitung wurde die elektro­nische Datenverarbeitung (EDV).

John Presper Eckert (* 1919 † 1995) und John William Mauchly (* 1907 † 1980) | USA | 1946 | Computerpioniere: Erster Rechner mit Elektronenröhren („ENIAC“, erste Computergeneration) und Einführung des Begriffs „Computer“ (engl. „to compute“ = rechnen).

1955 | USA: Die serienmäßige Herstellung von Transistoren leitete die zweite Computergeneration ein. Vorteile: geringeres Gewicht, kleinere Abmessungen, weniger Störanfälligkeit und fast un­begrenzte Lebensdauer.

Jack S. Kilby | USA | 1958 | * 1923 † 2005 | Ingenieur: Erfindung des „integrierten Schaltkreises“ und Vater des „Chips“. Die Funktionen von Transistoren, Widerständen und Dioden wurden in Sili­ziumkristalle integriert. Für Speicherzwecke wurde ein Chip von 9 mm² entwickelt, der 64 Schaltkreise enthielt und damit 64 Bit speichern konnte. Die Schaltgeschwindigkeit lag bei 54 Nanosekunden, dem 54-milliardstel Teil einer Sekunde. Das Gehirn der „Z 3“, das noch einige Kubikmeter Raum beanspruchte, ließ sich dadurch in einer Streichholzschachtel unterbringen.

1962 | USA: Mit den sog. Monolithen begann die dritte Computergeneration. Vorteil: Verminderung des Raumbedarfs. Eine Schaltgruppe (Modul) vereinigte mehrere Transistoren und Wider­stände in Salzkorngröße auf einer Keramikplatte. Konnten mit den Rechnern der zweiten Gene­ration nur 1 300 Additionen pro Sekunde durchgeführt werden, ermöglichte die neue Technolo­gie 160 000 Additionen in der gleichen Zeit.

John Kemeny (* 1926 † 1992) und Thomas Kurtz (* 1928) | USA | 1964 | Mathematiker und Informatiker: Ent­wicklung der Programmiersprache „BASIC“, die von Laien in wenigen Tagen erlernt werden kann. Im gleichen Jahr erhielt die US-amerikanische Firma Texas Instruments den Patentschutz auf die Erfindung des „integrierten Schaltkreises“.

Gary Boone | USA | 1968 | * 1945 † 2013 | Computerpionier: Entwicklung des ersten Mikroprozessors von Texas Instruments, der auf einem kleinen Siliziumplättchen alle Elemente der Zentraleinheit eines Computers ver­einte.

1974 | USA: Die Firma Intel brachte den ersten 8-Bit-Mikroprozessor „8080“ auf den Markt. Damit begann die vierte Computergeneration.

1982 | USA: Die Firma Commodore stellt den C 64 vor, der sich mit über 30 Mio. ver­kauften Geräten zum seinerzeit weltweit meistverkauften Heimcomputer entwickelt.

1985 | USA: Der erste 32-Bit-Prozessor in Großrechenanlagen der fünften Computergeneration entstand.

1990 | USA: Die Firma Microsoft bringt mit „Windows 3.0“ in Anlehnung an Apple ei­nes der ersten und erfolgreichsten Betriebssysteme mit „grafischer Benutzeroberfläche“ auf den Markt.

21. Jahrhundert

Seit 2000 werden 64-Bit-Prozessoren in PCs eingesetzt und ein Ende der rasanten Entwick­lun­gen ist nach wie vor nicht absehbar. Der Computer hält in immer mehr Bereichen Einzug, die bisher dem Menschen vorbehalten waren. Die Größe eines Rechners wird heute im Wesentli­chen von der notwendigen Mechanik bestimmt – hätten wir kleinere Hände zur Bedienung der Tasten und bessere Augen zum Ablesen der Skalen, so könnten die Taschenrechner spielend auf Millimetergröße schrumpfen. Auch die Speichergrößen dringen in vorher nie gekannte Größenordnungen vor.

2009 | USA: Die Firma Apple stellt mit dem iPad den ersten Tablet-PC mit berührungs­empfindlichem Bildschirm und dem Betriebssystem iOS vor.

Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.


Bildquellen:

[Abb. 1]
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Boulier1.JPG

[Abb. 2]
Wilhelm Schickard (Porträt (Öl auf Leinen) in der Tübinger Professorengalerie
https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Schickard#/media/Datei:C_Melperger_-_Wilhelm_Schickard_1632.jpg

[Abb. 3]
Blaise Pascal (Gemälde entstanden 1691)
https://de.wikipedia.org/wiki/Blaise_Pascal#/media/Datei:Pascal_Blaise.jpeg

[Abb. 4]
Gottfried Wilhelm Leibniz, Porträt von Christoph Bernhard Francke, um 1700; Herzog-Anton-Ulrich-Museum Braunschweig
https://de.wikipedia.org/wiki/Gottfried_Wilhelm_Leibniz#/media/Datei:Christoph_Bernhard_Francke_-_Bildnis_des_Philosophen_Leibniz_(ca._1695).jpg

[Abb. 5]
Johann Philipp Weisbrod: Porträt des Philipp Matthäus Hahn, 1773 (Historisches Museum Basel)
https://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_Matth%C3%A4us_Hahn#/media/Datei:Portr%C3%A4t_des_Philipp_Matth%C3%A4us_Hahn.jpg

[Abb. 6]
Joseph-Marie Jacquard
https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph-Marie_Jacquard#/media/Datei:Joseph_Marie_Jacquard.jpg

[Abb. 7]
Stich von Charles Babbage am 1. Mai 1833 im Mechanics‘ Magazine
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a5/Engaving_of_Charles_Babbage_from_Mechanics_Magazine.jpg